Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG)

Am 10. Juni ist das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in Kraft getreten. Davon ist die Stiftung als Träger der etablierten Einrichtungen im norddeutschen Raum in verschiedener Art und Weise betroffen. Das neue KJSG gliedert sich dabei in fünf Themengebiete, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird.

  1. Schützen - Besserer Kinder- und Jugendschutz
    Verschiedene zusätzliche Voraussetzungen für die Erteilung der Betriebserlaubnis wurden verankert, wie die Zuverlässigkeit des Trägers und damit verbunden auch die Stärkung der Trägerverantwortlichkeit (§45 Abs. 2 SGB VIII). Es sind ebenfalls ein Gewaltschutzkonzept, ein geeignetes Verfahren der Selbstvertretung und eine Beschwerdemöglichkeit außerhalb der Einrichtungen sicherzustellen.

    Die Anforderung an die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung wurden konkretisiert und erweitert. Ebenso wird die Aufsicht, über die im Betrieb befindlichen Einrichtungen, erhöht. Dies betrifft alle Einrichtungen und Außenstellen der Stiftung. Die von den Aufsichtsbehörden beauftragten Behörden sind berechtigt, während der Tageszeit die Grundstücke und Räume der stationären und teilstationären Wohngruppen zu betreten und Prüfungen vorzunehmen. Außerdem sind sie berechtigt, Gespräche mit Kinder und Jugendlichen zu führen. Die behördlichen Maßnahmen können unangemeldet erfolgen, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Für die Stiftung bedeutet dies, die Prävention vor grenzverletzenden Handlungen weiterhin zu verfeinern, um den Kinder- und Jungenschutz auch innerhalb der Leistungsangebote zu gewährleisten.

    Die verbesserte Zusammenarbeit an verschiedenen Schnittstellen ist ein zusätzlicher Baustein des KJSG, um Übergänge zu gestalten und den Kinderschutz zu stärken. In der Praxis arbeiten die Einrichtungen nicht nur mit dem Jugendamt, sondern vor allem mit Psychotherapeuten und Ärzten zusammen, die als Berufsgeheimnisträger*innen verbindlicher in Gefährdungseinschätzungen einzubeziehen sind. In den Kontext wurde auch das SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) weiterentwickelt. Dafür sind in den Einrichtungen vor allem die Erziehungsleitungen in besonderer Weise zu unterstützen und fortzubilden.
     
  2. Stärken - Stärkung von Kinder- und Jugendlichen, die in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen
    Um Kinder und Jugendliche zu stärken, die nicht in ihren Familien aufwachsen können, wurden die Rechte junger Volljähriger weiterentwickelt für die Zeit nach der Hilfe. Für diese Gruppe wurde ein individueller einklagbarer Rechtsanspruch verankert mit dem Ziel die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern, um eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbstständige Lebensführung zu gewährleisten. In Hinblick auf die Verselbstständigung junger Volljähriger wird kein begrenzter Zeitpunkt mehr vorgegeben. Vielmehr ist eine Gefährdungseinschätzung im Hinblick auf die Verselbstständigung vorzunehmen. Darüber hinaus wird eine sog. "Coming-Back-Option" in das Gesetz aufgenommen.

    Für die Stiftungsfachkräfte bedeutet dies, in Zukunft mit weiteren Sozialleistungsträgern zusammenzuarbeiten und sich mit deren Entscheidungskriterien auseinanderzusetzen, um für die Gruppe der sog. "Careleaver" gute Bedingungen zu ermöglichen.
     
  3. Helfen - Hilfen aus einer Hand
    Die große Weichenstellung im KJSG liegt im Bereich der sog. "inklusiven Lösung", also der Hilfe aus einer Hand für Kinder- und Jugendhilfe mit und ohne Behinderungen. In drei Stufen soll die Kinder- und Jugendhilfe auch für Eingliederungshilfen für Kinder und Jugendliche mit körperlichen und geistigen Behinderungen zuständig sein. Die von psychischen Behinderungen betroffenen Kinder und Jugendlichen sind bereits in den Einrichtungen der Erziehungshilfe.

    Dies ist eine gute Entwicklung, die im Hinblick auf die Systematik der Finanzierung erhebliche Auswirkungen haben wird. SGB VIII und SGB XII haben unterschiedliche Ansätze für die Finanzierung von Leistungen, die mit dem Ziel der Inklusion aufeinander abgestimmt sein müssen. Dies wird ein langer und diskussionsreicher Prozess werden, an dem sich die Stiftung als Rechtsträger von Kinder- und Jugendhilfeinrichtungen aktiv beteiligen wird.
     
  4. Unterstützen - Prävention vor Ort
    Bei der Prävention vor Ort geht es um das Angebot von niederschwelligen Leistungen. Dazu gehören sozialräumliche Hilfen, die Kombination von Hilfen mit weiteren Leistungsangeboten, Gruppenangeboten, gemeinsamen Wohnformen für Mütter, Väter und Kinder sowie Hilfen im Bildungsbereich. Die Stiftungseinrichtungen sind in ihren Arbeitsfeldern bereits aktiv und bei den Jugendämtern für ihre Qualität bekannt. Der Ausbau solcher Leistungen wird angestrebt, was zu einer Ergänzung der bisher vorwiegend stationären Leistungen führen kann.

    Die Stiftung hat seit vielen Jahren einen einrichtungsübergreifenden Arbeitskreis zur Prävention, der die Strukturen, Maßnahmen und Weiterentwicklungen kritisch beleuchtet und reflektiert. Daraus ergeben sich weitere Handlungsmöglichkeiten, um den Schutz sukzessiv zu verbessern.
     
  5. Beteiligen - Mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien
    Information, Beteiligung und Beratung sollen mehr als bisher in verständlicher, nachvollziehbarer und wahrnehmbarer Form erfolgen. Mit der Betonung der Selbstbestimmung junger Menschen wird das Recht junger Menschen gestärkt. Ergänzt wird dies durch einen Anspruch auf Beratung auch ohne Not- und Konfliktlagen. Für die Einrichtungen bedeutet dies, ihre fachliche Kompetenz in der Beratung auszubauen.

    Für die stationäre Erziehungshilfe sind darüber hinaus interne und externe Beschwerdemöglichkeiten zu schaffen, die in den Einrichtungen der Stiftung bereits seit vielen Jahren Praxis sind. Sie gilt es untereinander und mit behördlichen Stellen zu vernetzen. (Wt)